Geschichte

2004 entschieden sich vier MitarbeiterInnen des Sozialamtes in Wiener Neustadt, eine Straßenzeitung, ähnlich dem Wiener „Augustin“, ins Leben zu rufen und gründeten den Verein „Straßenzeitung Eibisch-Zuckerl – Plattform für soziale Anliegen“. Die erste Ausgabe erschien am 1. April 2003. Gestartet wurde mit vier Obdachlosen als Verkäufer – ausgestattet mit Rucksäcken, T-Shirts und Kappen. Auch ein Handy und ein gebrauchtes Fahrrad wurden zur Verfügung gestellt.

Zwei Ausgaben später war alles weg, inklusive der Verkäufer. Gedruckt wurden die ersten Ausgaben in der Druckerei der Strafanstalt Stein in Krems. Es begann eine Durststrecke mit einer Auflage von 1.000 Stück und ein bis drei Verkäufern. Die Gründer verließ der Mut und sie wollten das Projekt aufgeben.

Martin Lackinger und Brigitte Haberstroh, die vom Anfang an mitgearbeitet hatten, entschlossen sich weiterzumachen. Martin Lackinger übernahm die Stelle des Obmannes und Brigitte Haberstroh die redaktionellen Arbeiten.

In dieser Zeit kamen die ersten afrikanischen Asylwerber als Verkäufer. Bahnhof und Hauptplatz in Wiener Neustadt waren ihre ersten Verkaufsplätze. Von nun an stiegen die Verkaufszahlen langsam, aber stetig. Im Büro wurden Deutschkurse angeboten und einzelnen eifrigen Besuchern Kurse in der Volkshochschule finanziert, die in den Asylverfahren Gutpunkte brachten.

Das 5jährige Jubiläum wurde in einem Veranstaltungszelt vor dem BORG gefeiert.

Aus beruflichen Gründen musste Martin Lackinger die Obmannstelle zurücklegen und Brigitte Haberstroh wurde neue Obfrau. Einige engagierte Mitarbeiterinnen verstärkten inzwischen das Redaktionsteam und die Straßenzeitung lief erfolgreich.

Ende 2008 erschien die Straßenzeitung erstmals im Vierfarbendruck.

2008 kam es gemeinsam mit dem sozialen Verein „Aktion Mitmensch Wiener Neustadt“ zur Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine für Wiener Neustadt“ und zur ersten Verlegung der Gedenk-steine im Juli 2010. Damit wurde in der NS-Zeit ermordeten Bürgern unserer Stadt gedacht. Im November 2011 bildete im Stadttheater Wiener Neustadt ein feierlicher Festakt, bei dem auch Angehörige von Opfern aus Israel, London und Wien anwesend waren, einen vorläufigen Abschluss. Bei dieser Gelegenheit wurde auch ein Buch über dieses Projekt präsentiert. Das Projekt sollte aber fortgesetzt werden.

2009 organisierte die Straßenzeitung einen „Rollstuhltag„. bei dem sich prominente Wiener Neustädter in einen Rollstuhl setzen konnten. So konnten sie dabei einige Barrieren in der Stadt am eigenen Leib erleben.

Ende November 2010 wurde im Backstage in Wiener Neustadt die CD „Live more musically“ präsentiert, deren Reinerlös den Verkäufern unserer Straßenzeitung zu Gute kam. Dank dem damaligen Lokalbesitzer Christian Pinkernell stellten bekannte nationale und internationale Größen, die hier aufgetreten waren, Musikstücke gratis zur Verfügung und Sponsoren übernahmen die Herstellungskosten.

2012 wurde Brigitte Haberstroh für die Straßenzeitung „Eibisch-Zuckerl“ im Rahmen des Kulturpreises 2011 ein Sonderpreis für Publizistik überreicht.

2013 kam es mit dem unerwarteten Ableben von Brigitte Haberstroh für die Straßenzeitung zu einer bedrohlichen Situation. Wie sollte es weitergehen? Das Redaktionsteam entschloss sich zum Weitermachen. Anton Blaha übernahm das Obmannamt und zwei PraktikantInnen der Grafisches Lehr- und Versuchsanstal in Wien halfen die Probleme mit Layout und Satz zu überwinden.

Im Sommer 2014 wurde die Feier zum 10jährigen Jubiläum der Straßenzeitung, die wegen des Ablebens der Obfrau verschoben werden musste, im Hof im Stadtmuseum bei gutem Besuch nachgeholt.


2016 begleitete unsere Straßenzeitung das Projekt „Brundibár“ der Musikmittelschule Wiener Neustadt. Das Fortschreiten des Vorhabens zur Aufführung der Kinderoper, welche im Ghetto Theresienstadt so oft aufgeführt wurde, konnten in einer Reihe von Ausgaben mitverfolgt werden. Das Eibisch-Zuckerl gestaltete außerdem das Programmheft zu den Aufführungen im Stadttheater.

2016 bekamen wir die Möglichkeit, eine Ausstellung zum Projekt „Stolpersteine für Wiener Neustadt“ im Stadtmuseum zu gestalten.

Im Juni 2017 wurde Obmann Anton Blaha u. a. für die Straßenzeitung und ihrem sozialen Engagement das Ehrenzeichen der Stadt Wiener Neustadt verliehen – eine Auszeichnung für alle, die daran beteilig sind.

Nachdem die Stadtgemeinde das Haus in der Schlögelgasse, in dem unser Büro untergebracht war, verkauft hat, mussten wir Ende 2017 übersiedeln. PHÖNIX Wiener Neustadt bot uns die Möglichkeit, Deutschkurse, Redaktionsbesprechungen und die Zeitungsausgabe in einem ihrer Büroräume abzuhalten.

Seit 2018 hatte die Straßenzeitung Probleme mit sinkenden Verkaufszahlen. Einige langjährige, tüchtige Verkäufer durften inzwischen arbeiten, was uns gefreut hat. Weniger begeistert waren wir davon, dass etliche fleißige und gut integrierte Verkäufer mit guten Deutschkenntnissen abgeschoben wurden. Es gab neue Verkäuferinnen und Verkäufer, die aber deutlich weniger Zeitungen verkauften – vielleicht haben sie aber auch das veränderte Klima Asylwerbern gegenüber gespürt. Auch Deutschkurse waren immer weniger gefragt.

Die Einnahmen aus dem Zeitungsverkauf deckten 2019 nicht mehr die Druckkosten, die Büromiete und weitere erforderliche Ausgaben.

In der Generalversammlung vom 10.01.2020 wurde einstimmig beschlossen, die Zeitung einzustellen. Mit Ende Jänner 2020 wurde der Vereinsbehörde die Auflösung des Vereins gemeldet.

Für die verbliebenen Verkäufer wurde versucht, andere Verkaufsmöglichkeiten zu finden – der Wiener Augustin, die Kärtner KAZ oder „LOS“ (Verein SOL).